Ketzer, Hexen, Terroristen
Blog
23.11.2008
Liebe LeserInnen meiner Webseiten,
ich stelle Ihnen hier den Artikel von Herbert Prantl (ehemaliger Richter und Staatsanwalt) ein, ich biete Ihnen damit die Möglichkeit meine Anschuldigungen an die Staatsmächte zu verifizieren: Meine Vernichtungshatz ist real, Folter und Mord auf Raten eingeschlossen und wohlgemerkt, unter richterlicher Aufsicht!
Die Angst geht um
Ketzer, Hexen, Terroristen
von Heribert Prantl
Eine Erwiderung von Heribert Prantl.
Der Guerillero besetzt das Land, der Terrorist besetzt das Denken. Der Terrorist okkupiert die Schaltzentralen der Legislative und der Exekutive, er verseucht den Geist der Gesetze und verdirbt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die islamistischen Terroristen haben mit ihren Attentaten die Parlamente der demokratischen Staaten dazu getrieben, Grundrechte einzuschränken, sie haben deren Sicherheitsorgane dazu verleitet, jenseits der Legalität zu operieren; sie haben die Rechtsstaaten dazu gebracht, ihre Prinzipien infrage zu stellen. Überall in den Ländern der westlichen Welt, in Washington, London, Paris und Berlin, werden vergiftete Paragrafen und Gesetzesartikel produziert, werden rechtsstaatliche Grundsätze geopfert, wird die Privatsphäre der Bürger missachtet. Die Terroristen sind zwar nicht, wie nach dem 11.September 2001 befürchtet, in Atomkraftwerke und Wasserversorgungsanlagen eingedrungen, nicht dort haben sie Unheil angerichtet. Sie haben es auf andere, subtil-gefährliche Weise getan. Sie nehmen beherrschenden Einfluss auf die Apparate und Brain-Trusts, in denen das Recht produziert wird, sie verändern die Sicherheitsarchitektur grundlegend, sie verkürzen die Freiheitsrechte, sie entwerten das klassische Strafrecht. Die Angst vor dem Terrorismus hat die westlichen Staaten zu Reaktionen getrieben, vor denen man Angst haben muss.
In ihrer Not reagieren die Rechtsstaaten auf den realen Terrorismus so, wie die Staaten des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf die irreale Hexerei reagiert haben. Die Hexe oder der Hexenmeister, so war seinerzeit die Vorstellung, hatten nur den Willen, die Schöpfung und die Gesellschaft zu schädigen, und zu diesem Zweck hätten die Hexenleute einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie waren also strafwürdig, auch wenn sie noch keinen Schaden angerichtet hatten. Man konnte ja nicht bis zur Ausführung ihrer vernichtenden Pläne warten, sondern musste sie als gefährliche Subjekte möglichst früh unschädlich machen – zur Sicherheit der Gesellschaft und zur Abwehr von Gefahren.
Der Bielefelder Rechtshistoriker Wolfgang Schild weist auf Parallelen zwischen den Hexen und den heutigen Terroristen hin. Das gilt natürlich nicht für die Wirklichkeit der Gefahr, sehr wohl aber für die Reaktion von Staat und Gesellschaft. Im Ketzer- wie im Hexereiverfahren wurden Sondervorschriften eingeführt: Geringere Verdachtsgründe als sonst reichten zur Folterung aus, übel beleumundete Personen waren als Zeugen zugelassen, den Gerichten waren auch Denunzianten recht, und die Verteidigungsmöglichkeiten waren beschränkter als sonst – es handelte sich um schnelle, summarische Verfahren, die eher polizeilichen, also vorbeugenden, nicht strafrechtlichen Charakter hatten.
Unter der Herrschaft des Terrorismus verändert sich das aufgeklärte Strafrecht in fundamentaler Weise. Um Terroristen auf die Spur zu kommen (die ja, wie einst die Ketzer, unauffällig als „Schläfer“ unter der Bevölkerung leben), wird die Gesamtbevölkerung subtil ausgeforscht – mit Abhöraktionen, mit Überwachungs- und Datenspeicherungsmaßnahmen, mit der Kontrolle der Bankkonten, mit ausgeklügelten Kontrollarrangements und Datensammlungen, bei denen Geheimdienste und Polizei kooperieren und die darauf zielen, Mobilität und Informationsverhalten der Bürger kontrollieren zu können. Es wird national und international eine Infrastruktur der Überwachung etabliert.
Mit sogenannten Terrorlisten haben die Staaten ein Sanktionssystem jenseits des Rechts geschaffen; wer in diesen Listen geführt wird, dessen materielle Existenz ist bedroht: Sein Vermögen wird eingefroren, seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Gelisteten müssen ihre Unschuld beweisen, ohne dass es ein verlässliches Verfahren dafür gibt. Dick Marty, der Sonderermittler des Europarates, hat die Listen als „rechtsstaatlich skandalös“ kritisiert. Die Listung käme einer „zivilen Todesstrafe“ gleich. Das ist leider richtig, denn sie führt zum Ausschluss aus dem Rechtsverkehr: Beispielsweise sind Grundstücksgeschäfte mit gelisteten Personen nicht mehr möglich; ein Widerruf der Anerkennung als Flüchtling ist wahrscheinlich.
Gegen Terroristen und vermeintliche Terroristen wird ein Sonderrecht geschaffen, das mit dem Recht für die normalen Bürger nichts mehr zu tun hat. Dieses Sonderrecht praktiziert oder akzeptiert Folter, oder es erwägt diese zumindest, es verwertet jedenfalls Kenntnisse, die erfoltert worden sind. Es trachtet nach Inhaftierung ohne konkreten Schuldnachweis, also aufgrund angenommener Gefährlichkeit. Es verkehrt die Unschuldsvermutung in ihr Gegenteil. Es ist ein Feindrecht. Und wer ist Feind? Das bestimmt die Definitionsmacht der herrschenden Politik. Die Feindstrafrechtslehre greift bei ihrer Definition bezeichnenderweise zu mittelalterlichen Bildern: „Wer sich dauernd wie der Satan aufführt, den kann man (…) nicht als Rechtsperson behandeln“, schreibt der Bonner Strafrechtler Günther Jakobs. Solchen Leuten wird also das Recht, Rechte zu haben, abgesprochen.
Auf diese Weise wird vom normalen Strafrecht ein Feindstrafrecht abgespalten, und das verbleibende normale Strafrecht verwandelt sich in ein Gefahrenvorbeugungsrecht: Je größer die Gefahr ist oder je größer sie erscheint, umso einschneidender werden die Maßnahmen, die (auch gegen völlig Unverdächtige) ergriffen werden, um so, angeblich, die Gefahr zu bannen oder zu minimieren; das führt etwa zur staatlich angeordneten Speicherung aller Telekommunikationsdaten auf Vorrat, das führt zu immer umfassenderer Überwachung und Kontrolle. In den längsten Phasen der Menschheitsgeschichte sind Täter, die tatsächlich oder vermeintlich die staatliche Rechtsordnung oder ihre Repräsentanten angegriffen haben, als Feinde und damit als rechtlos behandelt worden. Womöglich geht nun die kurze Geschichte zu Ende, in denen Staaten auch ihre Feinde dem Recht entsprechend behandelten, und sich, auch deswegen, Rechtsstaaten nannten. Innere Sicherheit wächst damit nicht. Die Garantien des Strafrechts sind keine Garantien mehr, wenn sie gerade dann nicht mehr gelten sollen, wenn es darauf ankommt.
Bismarck hat seinerzeit ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I. benutzt, um den Liberalen in Deutschland den Garaus zu machen. Die Attentate der islamistischen Fundamentalisten führen dazu, dass in der westlichen Welt dem freiheitlichen Rechtsstaat und der Liberalität der Garaus gemacht wird. Eine Welt, die vom Terror in Angst und Schrecken versetzt wird und sich daraus nicht befreit, ist jedoch ihrer selbst nicht mehr sicher. Innere Sicherheit braucht die Sicherheit, dass die Grundsätze, die sie verteidigen will, sich auch bei dieser Verteidigung bewähren. Innere Sicherheit verlangt innere Festigkeit und unerschütterliches Vertrauen in die Grundrechte der Verfassung. Mit diesem Vertrauen gilt es, kollektive Sicherheit und innere Freiheit auszutarieren.
Heribert Prantl ist Politikchef der Süddeutschen Zeitung. Soeben erschien sein Buch „Der Terrorist als Gesetzgeber“ (Droemer Verlag)
23.11.2008
Liebe LeserInnen meiner Webseiten,
ich stelle Ihnen hier den Artikel von Herbert Prantl (ehemaliger Richter und Staatsanwalt) ein, ich biete Ihnen damit die Möglichkeit meine Anschuldigungen an die Staatsmächte zu verifizieren: Meine Vernichtungshatz ist real, Folter und Mord auf Raten eingeschlossen und wohlgemerkt, unter richterlicher Aufsicht!
Die Angst geht um
Ketzer, Hexen, Terroristen
von Heribert Prantl
Eine Erwiderung von Heribert Prantl.
Der Guerillero besetzt das Land, der Terrorist besetzt das Denken. Der Terrorist okkupiert die Schaltzentralen der Legislative und der Exekutive, er verseucht den Geist der Gesetze und verdirbt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die islamistischen Terroristen haben mit ihren Attentaten die Parlamente der demokratischen Staaten dazu getrieben, Grundrechte einzuschränken, sie haben deren Sicherheitsorgane dazu verleitet, jenseits der Legalität zu operieren; sie haben die Rechtsstaaten dazu gebracht, ihre Prinzipien infrage zu stellen. Überall in den Ländern der westlichen Welt, in Washington, London, Paris und Berlin, werden vergiftete Paragrafen und Gesetzesartikel produziert, werden rechtsstaatliche Grundsätze geopfert, wird die Privatsphäre der Bürger missachtet. Die Terroristen sind zwar nicht, wie nach dem 11.September 2001 befürchtet, in Atomkraftwerke und Wasserversorgungsanlagen eingedrungen, nicht dort haben sie Unheil angerichtet. Sie haben es auf andere, subtil-gefährliche Weise getan. Sie nehmen beherrschenden Einfluss auf die Apparate und Brain-Trusts, in denen das Recht produziert wird, sie verändern die Sicherheitsarchitektur grundlegend, sie verkürzen die Freiheitsrechte, sie entwerten das klassische Strafrecht. Die Angst vor dem Terrorismus hat die westlichen Staaten zu Reaktionen getrieben, vor denen man Angst haben muss.
In ihrer Not reagieren die Rechtsstaaten auf den realen Terrorismus so, wie die Staaten des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf die irreale Hexerei reagiert haben. Die Hexe oder der Hexenmeister, so war seinerzeit die Vorstellung, hatten nur den Willen, die Schöpfung und die Gesellschaft zu schädigen, und zu diesem Zweck hätten die Hexenleute einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie waren also strafwürdig, auch wenn sie noch keinen Schaden angerichtet hatten. Man konnte ja nicht bis zur Ausführung ihrer vernichtenden Pläne warten, sondern musste sie als gefährliche Subjekte möglichst früh unschädlich machen – zur Sicherheit der Gesellschaft und zur Abwehr von Gefahren.
Der Bielefelder Rechtshistoriker Wolfgang Schild weist auf Parallelen zwischen den Hexen und den heutigen Terroristen hin. Das gilt natürlich nicht für die Wirklichkeit der Gefahr, sehr wohl aber für die Reaktion von Staat und Gesellschaft. Im Ketzer- wie im Hexereiverfahren wurden Sondervorschriften eingeführt: Geringere Verdachtsgründe als sonst reichten zur Folterung aus, übel beleumundete Personen waren als Zeugen zugelassen, den Gerichten waren auch Denunzianten recht, und die Verteidigungsmöglichkeiten waren beschränkter als sonst – es handelte sich um schnelle, summarische Verfahren, die eher polizeilichen, also vorbeugenden, nicht strafrechtlichen Charakter hatten.
Unter der Herrschaft des Terrorismus verändert sich das aufgeklärte Strafrecht in fundamentaler Weise. Um Terroristen auf die Spur zu kommen (die ja, wie einst die Ketzer, unauffällig als „Schläfer“ unter der Bevölkerung leben), wird die Gesamtbevölkerung subtil ausgeforscht – mit Abhöraktionen, mit Überwachungs- und Datenspeicherungsmaßnahmen, mit der Kontrolle der Bankkonten, mit ausgeklügelten Kontrollarrangements und Datensammlungen, bei denen Geheimdienste und Polizei kooperieren und die darauf zielen, Mobilität und Informationsverhalten der Bürger kontrollieren zu können. Es wird national und international eine Infrastruktur der Überwachung etabliert.
Mit sogenannten Terrorlisten haben die Staaten ein Sanktionssystem jenseits des Rechts geschaffen; wer in diesen Listen geführt wird, dessen materielle Existenz ist bedroht: Sein Vermögen wird eingefroren, seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Gelisteten müssen ihre Unschuld beweisen, ohne dass es ein verlässliches Verfahren dafür gibt. Dick Marty, der Sonderermittler des Europarates, hat die Listen als „rechtsstaatlich skandalös“ kritisiert. Die Listung käme einer „zivilen Todesstrafe“ gleich. Das ist leider richtig, denn sie führt zum Ausschluss aus dem Rechtsverkehr: Beispielsweise sind Grundstücksgeschäfte mit gelisteten Personen nicht mehr möglich; ein Widerruf der Anerkennung als Flüchtling ist wahrscheinlich.
Gegen Terroristen und vermeintliche Terroristen wird ein Sonderrecht geschaffen, das mit dem Recht für die normalen Bürger nichts mehr zu tun hat. Dieses Sonderrecht praktiziert oder akzeptiert Folter, oder es erwägt diese zumindest, es verwertet jedenfalls Kenntnisse, die erfoltert worden sind. Es trachtet nach Inhaftierung ohne konkreten Schuldnachweis, also aufgrund angenommener Gefährlichkeit. Es verkehrt die Unschuldsvermutung in ihr Gegenteil. Es ist ein Feindrecht. Und wer ist Feind? Das bestimmt die Definitionsmacht der herrschenden Politik. Die Feindstrafrechtslehre greift bei ihrer Definition bezeichnenderweise zu mittelalterlichen Bildern: „Wer sich dauernd wie der Satan aufführt, den kann man (…) nicht als Rechtsperson behandeln“, schreibt der Bonner Strafrechtler Günther Jakobs. Solchen Leuten wird also das Recht, Rechte zu haben, abgesprochen.
Auf diese Weise wird vom normalen Strafrecht ein Feindstrafrecht abgespalten, und das verbleibende normale Strafrecht verwandelt sich in ein Gefahrenvorbeugungsrecht: Je größer die Gefahr ist oder je größer sie erscheint, umso einschneidender werden die Maßnahmen, die (auch gegen völlig Unverdächtige) ergriffen werden, um so, angeblich, die Gefahr zu bannen oder zu minimieren; das führt etwa zur staatlich angeordneten Speicherung aller Telekommunikationsdaten auf Vorrat, das führt zu immer umfassenderer Überwachung und Kontrolle. In den längsten Phasen der Menschheitsgeschichte sind Täter, die tatsächlich oder vermeintlich die staatliche Rechtsordnung oder ihre Repräsentanten angegriffen haben, als Feinde und damit als rechtlos behandelt worden. Womöglich geht nun die kurze Geschichte zu Ende, in denen Staaten auch ihre Feinde dem Recht entsprechend behandelten, und sich, auch deswegen, Rechtsstaaten nannten. Innere Sicherheit wächst damit nicht. Die Garantien des Strafrechts sind keine Garantien mehr, wenn sie gerade dann nicht mehr gelten sollen, wenn es darauf ankommt.
Bismarck hat seinerzeit ein Attentat auf Kaiser Wilhelm I. benutzt, um den Liberalen in Deutschland den Garaus zu machen. Die Attentate der islamistischen Fundamentalisten führen dazu, dass in der westlichen Welt dem freiheitlichen Rechtsstaat und der Liberalität der Garaus gemacht wird. Eine Welt, die vom Terror in Angst und Schrecken versetzt wird und sich daraus nicht befreit, ist jedoch ihrer selbst nicht mehr sicher. Innere Sicherheit braucht die Sicherheit, dass die Grundsätze, die sie verteidigen will, sich auch bei dieser Verteidigung bewähren. Innere Sicherheit verlangt innere Festigkeit und unerschütterliches Vertrauen in die Grundrechte der Verfassung. Mit diesem Vertrauen gilt es, kollektive Sicherheit und innere Freiheit auszutarieren.
Heribert Prantl ist Politikchef der Süddeutschen Zeitung. Soeben erschien sein Buch „Der Terrorist als Gesetzgeber“ (Droemer Verlag)
clavacs - 23. Nov, 12:53
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